Eine Aufgabe des Zentrums besteht in der wissenschaftlichen Erforschung von transnationaler außerschulischer Bildungsarbeit im ländlichen Raum. Gezielt sollen Qualitätsstandards und Besonderheit der transnationalen Projektarbeit erarbeitet werden.
Ist-Analyse der zivilgesellschaftlichen Verzahnung der deutsch-polnischen Grenzregion:
von Nikolaus Teichmüller
Einen Blick auf die Zivilgesellschaft in der deutsch-polnischen Grenzregion zu werfen, gestaltet sich schwierig und ist zumindest nicht damit getan, den Katalog klar deutsch-polnisch arbeitende Vereine, Initiativen und Organisationen in den Fokus zu nehmen. Konstatieren lässt sich zunächst, dass es eine Vielzahl von unterschiedlichen, teilweise Jahre lang bestehenden Projekten und Kooperationen gibt, die gemeinsam an einer Festigung von Kontakten arbeiten, die in kleinen und größeren Formaten ihren Beitrag an der Gestaltung der Grenzregion leisten und dass die Richtung, in die es bei diesen Initiativen geht, definitiv Mut macht. Da Zivilgesellschaft als gesellschaftliches Phänomen schwer zu greifen, prozesshaft und in stetiger Veränderung begriffen ist, sich stets sowohl in die eine als auch in die andere Richtung entwickeln kann und durch neue Generationen niemals auf “sicheren” Füßen stehen kann, sondern stets bemüht sein muss, sich selbst zu definieren und zu gestalten, bleibt ein abschließendes Urteil in jedem Fall aus.
Gleichzeitig ist zu erkennen, dass bei vielen jungen Initiativen und Vereinsneugründung zumindest Skepsis über das gegebene Know-how, die strukturellen Bedingungen etc. zurück bleiben. Die förderpolitische Ausrichtung der Stärkung von Grenzregionen und des deutsch-polnischen Kontakts führt zu Konkurrenzphänomenen, die nur teilweise förderlich für den gemeinsamen Weg und die kooperative Arbeit sind. Hier gilt es gerade von Seiten der Politik und der Förderer genauer auf die Projektformate und die Antragsteller zu schauen und langjährig bestehende, funktionierende Formate nicht unterzufinanzieren.
Auf einer anderen Ebene ist immer noch ein großer Handlungsbedarf zu erkennen. Gerade bei bisher hauptsächlich national agierenden Vereinen, sei es im Bereich des Sports, der Freizeit, der Geschichtsforschung oder im kulturellen und politischen Bereich finden momentan nur wenige Kooperationen statt, oder wenn überhaupt nur unregelmäßig bzw. sehr selten. Gerade für eine grenzübergreifende Zivilgesellschaft ist es aber wichtig, kontinuierlichen, habituellen Kontakt über die Oder hinweg zu erzielen. Nur durch diese Art von persönlichem Kontakt, der nicht einmalig, sondern wiederkehrend und "gewöhnlich" funktioniert, kann langfristig ein Gefühl einer Zivilgesellschaft entstehen, die nicht an der Grenze endet.
Für die Unterstützung dieser Bindungsprozesse sind Schulungen und Bewusstseinsschärfungen auf kleiner Ebene von Nöten. Ortsvorsteher und Vereinsleitende sind diejenigen, die die Möglichkeit des Kontakts auf der anderen Seite der Grenze suchen müssten. Hier durch Schulungen und Unterstützung in Form von Hilfe bei Förderanträgen oder Kontaktvermittlungen sinnvolle Hilfe und Anschub zu bieten, muss ein Ziel der politischen Bildung im außerschulischen Bereich sein. Das auch in einer Zivilgesellschaft das Konkurrenzprinzip besteht – gerade weil die Fördermittel begrenzt sind -, ist klar. Mut macht dabei aber, dass es ein breites Netzwerk von etablierten und motivierten Vereinen und Initiativen gibt, die an sehr ähnlichen Zielen arbeiten. Hier durch weitere Vernetzung und gemeinsame Zielformulierung diesen Prozess weiter zu fördern, muss ein Ziel der zukünftigen Arbeitsweise und Förderpraxis sein.
Für eine weitere Beforschung der zivilgesellschaftlichen Entwicklung der deutsch-polnischen Grenzregion wäre es sinnvoll, zivilgesellschaftliche Akteure auf beiden Seiten der Grenze zu befragen und ihre Einschätzungen und Kenntnislücken bezüglich der anderen Seite zu erörtern um genauer herausarbeiten zu können, in welcher Art und Weise grenzübergreifend arbeitende Vereine, Initiativen und Bildungsträger am zielführendsten unterstützend tätig werden können.