von Nikolaus Teichmüller
Professionell bedienen die jugendlichen Servicekräfte internationale Gäste.
1. Einleitung
Der Kaffee wird auf den Tisch gestellt. Das vor der brennenden Sonne Schutz suchende ältere Ehepaar bedankt sich und bewundert den professionellen Eindruck, den das Getränk macht. "Wie in einem richtigen Café. Das hat Trebnitz wirklich noch gefehlt."
Schülerfirmen sind pädagogische Projektformen, die mit einem hohen Maß an Motivation und Interesse seitens beteiligter Schülerinnen und Schüler und deren Lehrpersonen verbunden sind. Sie gelten als eine adäquate Methode, um Jugendlichen wirtschaftliche Wirkmechanismen erlebnisorientiert näherzubringen und den Beteiligten nachhaltige Chancen auf einen besseren Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen.
Dies galt es im Projekt "Deutsch-Polnische Schülerfirma" mit inklusiver und interkultureller Bildung zu verbinden. Das Bildungs- und Begegnungszentrum Schloß Trebnitz e.V. fasste zum ersten Mal im Januar 2012 den Entschluss ein deutsch-polnisches Café zu gründen, geleitet und geführt durch Schülerinnen und Schüler beiderseits der Grenze. Gleichzeitig sollte das Projekt seinen Teil zu den transnationalen Inklusionsbemühungen leisten, die auf der deutsch-polnischen "Inklusionsagora" gesammelt wurden.
Für dieses Projekt war eine gute Kooperation von schulischen und außerschulischen Bildungsträgern notwendig. Die beteiligten Partner betraten pädagogisches Neuland, indem sie deutsche und polnische Schülerinnen und Schüler unter der Trägerschaft einer außerschulischen Bildungsstätte eine Schülerfirma gründen ließen. Im Folgenden soll die Projektumsetzung in Planung und Durchführung dargestellt werden.
Im Mai 2013 eröffnete das "Kaffee zum Glück – Kawa na szczęście" mit einem festlichen Akt seine Tore. Die Resonanz war positiv, der Kaffee schmeckte gut und die bedienenden Jugendlichen waren motiviert und freundlich. An diesem Tag konnten sie auf ein halbes Jahr Vorbereitung, Planung und Weiterbildung zurückblicken. Für Trebnitz bedeutet das Café einen Anlaufpunkt für Touristen, Anwohner und Gäste der Bildungsstätte. Insgesamt 26 Schülerinnen und Schüler aus Kostrzyn und Seelow arbeiten hier gemeinsam in Schichten am Wochenende.
Das Projekt verfolgt mehrere Ziele. Einerseits soll hier Inklusion ganz praktisch erzielt werden. Die Schülerinnen und Schüler kommen von Förderschulen, haben teilweise körperliche und geistige Behinderungen, starke Lerndefizite oder stammen aus prekären familiären Verhältnissen. Durch die gegebene Strukturschwäche der deutsch-polnischen Grenzregion bietet das Café den Beteiligten die Chance, Erfahrungen im Berufsalltag im Service- und Buchhaltungsbereich zu sammeln und Fähigkeiten zu erwerben, die sie später in der "richtigen" Arbeitswelt benutzen können. Gleichzeitig zeigt das Projekt, dass in der Kooperation von schulischer und außerschulischer Bildungsarbeit große Lernchancen bestehen. Das Projekt "Deutsch-Polnische Schülerfirma" kann insofern als Umsetzungsversuch einer bestehenden Chance der nachhaltigen Strukturstärkung der deutsch-polnischen Grenzregion gewertet werden. Nachhaltig wirksam soll das Café auch nach Ende der Förderperiode bestehen bleiben und mit neuen Schülerinnen und Schülern, die durch ihre Vorgänger angeleitet werden sollen, fortbestehen.
Die Projektpartner des Schlosses waren die Direktion der Bildungseinrichtung für Freiwillige Arbeitsgruppen der Woiwodschaft Lebus (Lubuska Wojewódzka Komenda Ochotniczych Hufców Pracy), der Maria-Sklodowska-Curie-Schulverbund in Kostrzyn (Zespól Szkól im. Marii Sklodowskiej-Curie w Kostrzynie), die Kleeblatt-Schule in Seelow und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).
2. Konzeptionelle Grundlagen
Die Projektkonzeption sah eine Verbindung von ökonomischen Handlungskompetenzen, interkulturellen Lernchancen und Inklusionsbemühungen vor. Diese Kombination von komplexen pädagogischen Feldern macht eine Besonderheit des Projekts "Deutsch-Polnische Schülerfirma" aus.
Schülerfirmen sind Schulprojekte mit pädagogischen Zielsetzungen, die sich an realen Unternehmen orientieren (vgl. Corleis 2009, 8). Als Methode sind sie seit langem an Schulen präsent. Dennoch ist die Auswahl von diesbezüglicher Literatur äußerst begrenzt (vgl. Geyer 2005, 8). Für in Kooperation mit schulischen und außerschulischen Trägern gegründete Schülerfirmen gilt dies in noch deutlicherem Maße.
Autorenunabhängig ist man sich darüber einig, dass die Gründung und das Betreiben einer Schülerfirma in hohem Maße Möglichkeiten zum Kompetenzerwerb und lebensnahe Lernchancen bieten. Dabei werden durch die Arbeit in einer Schülerfirma Handlungs-, soziale, Methoden- und personale Kompetenzen gefördert. Der Kanon von Kompetenzen und Lernchancen umfasst Team- und Kommunikationsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft und -bewusstsein, Stärkung von Eigeninitiative und Konfliktmanagement. Er stellt gleichermaßen einen Beitrag zur Berufsorientierung, zu selbstständigem Handeln, Analyse- und Entscheidungsfähigkeiten, Kritikfähigkeit, Organisations- und Planungskompetenz dar. Präsentationsfähigkeit, berufliche Selbstständigkeit, Umweltmanagement, soziales und unternehmerisches Handeln, ökologisches Bewusstsein und vor allem praktische Zugänge zu ökonomischen Kenntnissen werden gefördert (vgl. Corleis 2009, 8; Geyer 2005, 9f; de Haan/Ruf/Eyerer 2005, 9). Der Aspekt der Berufsorientierung wird dabei besonders hervorgehoben. So sind Schülerfirmen als gutes Trainingsfeld zum Erwerb von ökonomischen Kompetenzen anzusehen (vgl. Holtel 2004, 11; Krause 2002, 5), wobei ökonomischer Fachkompetenz zunehmend eine besondere Relevanz für einen modernen Bildungsbegriff eingeräumt wird (vgl. Kaminski et al. 2009, 73).
Neben diesen Lernchancen standen für das Projekt vor allem die Inklusionsmöglichkeiten sowie die transnationale Strukturstärkung im Vordergrund. Da Schülerfirmen insbesondere für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler aus Haupt- und Förderschulen gute Gelegenheiten bieten, sich am Ausbildungsmarkt zu behaupten (vgl. Corleis 2009, 8), wurde diese Projektform gewählt. Für die beteiligten Jugendlichen bietet das Café die Möglichkeit, wirtschaftliche Zusammenhänge transparent zu erleben und differenzierte Einsatzweisen von Service, Zubereitung, Buchhaltung, Einkauf und Leitung zu erproben. Außerdem führt ihre Tätigkeit im Café durch Erfolgs- und Ernsthaftigkeitserfahrungen zu einer Steigerung ihres Selbstwertgefühls (vgl. Geyer 2005, 10).
Bei der Gründung einer Schülerfirma sind schon auf Schulebene diverse Faktoren zu beachten. Rechtliche, gesundheitliche, steuer- und versicherungstechnische Fragen sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie die organisatorische und pädagogische Arbeit des Leitungsteams (vgl. Corleis 2009, 9-17; Deutsche Kinder- und Jugendstiftung 2009). Bei dem Projekt "Deutsch-Polnische Schülerfirma" potenzierten sich diese Aufgaben durch den transnationalen wie auch durch den schulisch-außerschulisch-kooperativen Rahmen. Während die rechtliche Basis in Deutschland auf Schulebene relativ eindeutig geregelt ist (vgl. de Haan/Ruf/Eyerer 2005) stellten sich viele Umsetzungsfragen auf deutsch-polnischer Ebene erneut: Wie sind die Möglichkeiten für einen eingetragenen Verein, die Trägerschaft einer Schülerfirma zu übernehmen? Während schulische Träger normalerweise kein Unternehmen anmelden müssen, musste Schloß Trebnitz e.V. dies tun. Auch die Fragen nach dem Versicherungsschutz und der Einnahmenobergrenze mussten neu beantwortet werden. Außerdem gibt es beispielsweise signifikante Unterschiede zwischen Deutschland und Polen im bestehenden Schulrecht. Während die polnischen Schülerinnen und Schüler die Arbeitszeit zusätzlich zum normalen Unterricht machen, muss diese für die deutschen Schülerinnen und Schüler dem normalen Unterricht angerechnet werden (vgl. Corleis 2009, 9). Ein weiteres Beispiel ist der Gesundheitspass, der bei gastronomischer Tätigkeit unbedingt bei jedem Arbeitenden vorhanden sein muss. Die polnischen Schülerinnen und Schüler besaßen einen polnischen Gesundheitspass. Fraglich war diesbezüglich, ob dieser auch in Deutschland anerkannt würde.
Insofern hatten die Projektinitiatoren einen halbjährigen Vorlauf (August 2012 bis November 2012) eingeplant, in dem sich die Kooperationspartner zu gemeinsamen Vorbereitungstreffen im Schloss einfanden, inhaltliche und strukturelle Fragen sammelten, Vereinbarungen darüber trafen, wer welche Antworten produzieren sollte, und die Struktur des Projekts durchsprachen und vereinbarten.
Interkulturelles Lernen war Teil und Fundament der Projektkonzeption. Durch die beständige Zusammenarbeit von deutschen und polnischen Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern und die Nutzung von Techniken und Methoden interkulturellen Lernens wurde dies durchgehend gewährleistet.
Der inklusive Anspruch, den das Projekt verfolgte, stellte die Beteiligten vor weitere Herausforderungen. So sind bildungspolitische Richtlinien bezüglich Inklusionsbemühungen länderspezifisch unterschiedlich (vgl. Allemann-Ghionda 2013, 139). Dem Projekt zugute kam hierbei die langwierige Vorarbeit, die Schloß Trebnitz e.V. in Kooperation mit der Seelower Kleeblattschule und dem OHP Strzelce Krajenskie in gemeinsamen Fachaustauschen geschaffen hatte. Die "Inklusionsagora" im Januar 2012 hatte die Gründung einer inklusiven deutsch-polnischen Schülerfirma in starker Weise vorangetrieben. Diese Nutzung von "kurzen" Wegen, also die Kooperation von grenznahen Schulen, die bereits vorher in vielen Projekten zusammen mit Schloß Trebnitz e.V. interkulturelle Begegnungen durchgeführt hatten, machten viele ansonsten eventuell notwendige Absprachen auf höherer Ebene unnötig.
Die für Inklusionsbemühungen notwendige Barrierefreiheit (vgl. Bühler 2011, 44) konnte durch den Erwerb und die Renovierung der "Alten Schmiede", einem Nebengebäude des Schlosses, gewährleistet werden. Die "Alte Schmiede", in der sich auch das "Kaffee zum Glück" befindet, ist auf der Erdgeschossebene rollstuhlgerecht eingerichtet.
Durch die bereits oben angeführte motivierende Wirkung von Schülerfirmen konnten in Bezug auf Inklusionsbemühungen häufig auftretende Lernprobleme vermieden werden (vgl. Eckert 2011, 54). Die Eigenmotivation der Schülerinnen und Schüler waren konzeptionell daher Bedingung für eine erfolgreiche Projektumsetzung. Auch während des Projekts wurde dieser Aspekt weiter berücksichtigt. So blieb auch nach der Zusage der einzelnen Schülerinnen und Schüler die Teilnahme am Projekt freiwillig und Aussteiger wurden, nach vergeblichen Motivationsversuchen, unkompliziert aus dem Projekt gelassen. Der erfahrungsorientierte und ganzheitliche Lerncharakter in dem Projekt (vgl. ebd., 60) führte allerdings zu einer geringen Zahl von Schülerinnen und Schülern, die aus dem Projekt ausschieden.
Eine weitere konzeptionell antizipierte und durch die Symbiose von Schülerfirma und Inklusion ermöglichte Inklusionschance war das eigene Budget, das von den Schülerinnen und Schülern verwaltet werden musste. Auch die Perspektive, mit dem Erwirtschafteten nach Abschluss des Projekts eine gemeinsame Reise zu machen, motivierte die Jugendlichen und war gleichzeitig als individuelle Unterstützungsform der Förderschüler gedacht (vgl. Schartmann 2011, 143).
Weitere Ziele des Projekts "Deutsch-Polnische Schülerfirma" lagen darüber hinaus in einer nachhaltigen Strukturstärkung des ländlichen Raumes in Trebnitz. Neben den Möglichkeiten, die sich für die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler durch das Café ergeben, bereichert es das gesellschaftliche Angebot in einem ansonsten relativ "angebotsarmen" Gebiet. In diesem Zusammenhang kann von einer bürgerzentrierten Maßnahme gesprochen werden, die Partizipation nicht bloß als Teilhabe oder Teilnahme, sondern gerade als gemeinsame Gestaltung einer Situation im ländlichen Raum und im transnationalen Bereich ermöglicht (vgl. Boban 2012, 234).
Langfristig und für Folgeprojekte sieht das Konzept eine Ausweitung beziehungsweise eine "Partnerfirma" auf der polnischen Grenzseite vor.
3. Projektverlauf
Im November 2012 trafen sich die am Projekt beteiligten Lehrerinnen und Lehrer, Ansprechpersonen und die verantwortliche Projektkoordinatorin im Schloss, um den Projektverlauf zu planen und technische und inhaltliche Fragen zu klären. Es wurde eine Kooperationsvereinbarung unterschrieben, um verbindliche Absprachen festzuhalten. Diesem Treffen ging an den beteiligten Schulen eine Teilnehmendenwerbung voraus. Außerdem waren die Planungs- und Umbauphase der "Alten Schmiede" zu diesem Zeitpunkt lange eingeleitet.
Im Januar trafen sich dann 16 polnische und 8 deutsche Jugendliche mit ihren Lehrerinnen und Lehrern in Trebnitz zu der ersten von drei Begegnungen. Zunächst lernten sich die Jugendlichen durch gemeinsame Kennenlernspiele, Sprachanimationen und die Abfrage von Zielvorstellungen kennen. Auf die bei Gründung einer Schülerfirma wichtige Kooperation und Zusammenarbeit der beteiligten Schülerinnen und Schüler musste hierbei besonders geachtet werden. Da die Teilnehmenden sich vorher nicht kannten, war für diese Kennenlernphase viel Zeit eingeplant worden.
Diese erste Begegnung war auf fünf Tage angelegt. Die sprachliche Hürde wurde – wie bei allen deutsch-polnischen Begegnungen in Schloß Trebnitz e.V. – durch Konsekutivübersetzung überwunden. Hintergrund dieser teils zeitaufwendigen Kommunikationsweise war die Zielsetzung, allen beteiligten Jugendlichen zu ermöglichen, wirklich alles zu verstehen und die Möglichkeit zu haben, Kontakte aufzubauen, die durch die auch pädagogisch geschulten Sprachmittlerinnen und Sprachmittler unterstützt wurden.
Während der Begegnung fanden darüber hinaus Fortbildungen und Schulungen statt, um die Jugendlichen auf ihre gastronomische Tätigkeit vorzubereiten. Ein deutsch-polnischer Sprachkurs wurde in jeder der drei Begegnungen durchgeführt. Den Jugendlichen wurde dadurch ermöglicht, fundamentale Textbausteine für die Caféarbeit in Deutsch und Polnisch zu beherrschen und somit auf die zu erwartende Zielgruppe von Gästen beiderseits der Grenze vorbereitet zu sein. Darüber hinaus legten alle Beteiligten den Kurs und die Prüfung für den erforderlichen Gesundheitspass im Gesundheitsamt in Seelow ab.
Das interkulturelle Lernen und der Inklusionsanspruch standen bei jeder Begegnung im Vordergrund. So wurden in der ersten Begegnung künstlerische Workshops angeboten, die die Gestaltungsfähigkeiten der Jugendlichen unterstützen sollten. Diese erworbenen Fertigkeiten wurden dann weiterentwickelt, indem die Jugendlichen einen Floristikkurs belegten und dadurch Fähigkeiten im Bereich der äußeren Gestaltung und Präsentation von Räumen erhielten. Diese künstlerischen und ästhetischen Fertigkeiten konnten für die Eröffnung des Cafés gut genutzt werden und führten dazu, dass die Gäste seit dem Bestehen des Cafés auf beeindruckende Tischgedecke und eine gemütliche Atmosphäre treffen.
Informelle interkulturelle Lernchancen boten sich durchgängig, besonders aber während der Freizeit- und Abendgestaltung der Jugendlichen. So entstand über den Zeitraum des Projekts eine Gruppe von Jugendlichen, die sich untereinander gut kannte, miteinander auskam und produktiv zusammenarbeiten konnte.
Die zweite in ihrer Struktur ähnliche Begegnung im Februar beschäftigte sich mehr mit den ökonomischen Voraussetzungen für die Leitung und das Betreiben eines Cafés. Sie war auf drei Tage angesetzt. Die Jugendlichen machten eine Service-Schulung, in der ihnen Techniken und Verhaltensregeln im Umgang mit Speisen und Getränken und den Gästen beigebracht wurde. Außerdem wurde ein Buchhaltungskurs besucht, um die Teilnehmenden dazu zu befähigen, die wirtschaftliche Arbeit im Café zu erlernen.
In dieser zweiten Begegnung wurden außerdem Aufgaben und Positionen des Cafés verteilt. Es gab die Buchhalterstelle, die Leitungsrolle, den Service-Bereich und die Zubereitungsposition. Eine interne Facebook-Seite wurde erstellt, über die die Jugendlichen seither in beständigem Kontakt stehen und vor allem auch die spezifischen Positionen und die Arbeit, die die einzelnen Jugendlichen im Café ausüben, bewerten. Hier wird beispielsweise darüber diskutiert, ob jemand seine Arbeit gut macht oder besser auf einer anderen Position aufgehoben wäre. Da die Tätigkeiten für alle Beteiligten neu waren, war dieser Kommunikationsprozess wichtig, um sich mit Hilfe der anderen mit der eigenen Arbeit auseinanderzusetzen. Über den Projektzeitraum kam es daher zu mehreren Positionswechseln und Erprobungen anderer Personen in unterschiedlichen Rollen. Hierbei wurde aber darauf geachtet, dass Feedback an einzelne Teilnehmende immer produktiv war und mit den betroffenen Jugendlichen – nicht über sie hinweg – entschieden wurde.
Die dritte fünftägige Begegnung im Mai diente zur Vorbereitung der Caféeröffnung. Um dem Namen des Cafés gerecht zu werden und die neu angeschaffte Kaffeemaschine kennenzulernen, wurde im Schloss ein Barista-Kurs durchgeführt, in dem die Jugendlichen alle Techniken in Bezug auf die Herstellung guten Kaffees (Mahlstufe, Kaffeemenge, Schäumtechnik, Einfüllen, etc.) erlernten.
Für die Eröffnungsfeierlichkeiten wurde ein Programm erarbeitet. Mit Hilfe von zwei Theaterpädagoginnen wurde ein gemeinsames Theaterstück erdacht und einstudiert. Die Räume des Cafés wurden hergerichtet und technische Fragen wie das Tischarrangement sowie letzte bauliche Tätigkeiten geklärt und abgeschlossen.
Über die Verteiler des Vereins und der beteiligten Projektpartner wurde die Eröffnung angekündigt. Sie fiel zeitlich mit der Eröffnung der gesamten "Alten Schmiede" zusammen, wodurch am 20. Mai ein großes Fest mit fast 60 Gästen gefeiert werden konnte. Die Schülerfirma übernahm hierbei fast die gesamte Vorbereitung, stellte Stühle, machte das Catering und präsentierte das Café. Die Veranstaltung wurde von allen Beteiligten als großer Erfolg wahrgenommen und war ein idealer Start für das Café.
Nach diesem fulminanten Auftakt begann die eigentliche Caféarbeit. Um einen kontinuierlichen Betrieb zu ermöglichen, arbeiten seitdem in gemischten deutsch-polnischen Schichten bis zu sechs Jugendliche im Café. Die Öffnungszeiten sind Samstag 11 bis 18 Uhr und Sonntag 10 bis 17 Uhr. Während der Wochenenden schlafen die Jugendlichen im Schloss. Gerade durch den in der Gegend verbreiteten Fahrradtourismus wird das Café seither stark frequentiert.Das Projekt "Deutsch-Polnische Schülerfirma" stellte die Beteiligten vor diverse Schwierigkeiten und Herausforderungen. Die Aspekte des pädagogischen Neulands und der sich ergebenden Planungsfragen wurden bereits behandelt. Ein weiterer Punkt, der hier erwähnt werden muss, war die Schwierigkeit, die Jugendlichen durchgehend und gerade nach Inbetriebnahme des Cafés zu halten. Von den 26 Jugendlichen, die im Januar starteten sind noch 22 übrig. Drei deutsche und eine polnische Teilnehmende sind seither abgesprungen. Gründe dafür waren einerseits Schulabgänge, andererseits motivationaler Natur. Abgänge bei Schülerfirmen sind üblich und haben immer auch etwas mit der Art zu tun, wie mit den Jugendlichen in Kontakt geblieben wird. Gerade daher ist die verhältnismäßig geringe Zahl von aus dem Projekt Ausgestiegenen beachtlich und als Erfolgskriterium für das Projekt zu werten. Der Großteil der beteiligten Jugendlichen kommt motiviert und mit Freude zu seinen Schichten und ermöglicht dadurch eine wertvolle gastronomische Bereicherung für Trebnitz und die Umgebung.
Alles in allem läuft das Café sehr gut. Zwar führt die Wetterabhängigkeit der Ortschaft manchmal zu wenig Kundschaft. An sonnigen Tagen ist die Terrasse des Cafés allerdings meist gut besucht und die Jugendlichen haben viel zu tun. Es bleibt zu wünschen, dass ein Folgeprojekt die geschaffene Grundlage weiternutzt und das "Kaffee zum Glück – Kawa na szczęście" Trebnitz und dem Schloss erhalten bleiben wird.
Die Schülerinnen und Schüler erwerben im Rahmen des Projekts vielfältige soziale, sprachliche und berufsspezifische Kompetenzen. (Foto: Beata Rauch)
4. Erfahrungsreflexion
Die Idee für ein deutsch-polnisches Schülercafé bestand schon seit mehreren Jahren im Schloß Trebnitz e.V. und ist nun endlich verwirklicht worden. Die ursprüngliche Konzeption ging von täglichen Öffnungszeiten aus. Die Besonderheiten von Schülerfirmen und gerade deutsch-polnischen Schülerfirmen machten es letztendlich erforderlich, von diesem ambitionierten Plan Abstand zu nehmen und einen reinen Wochenendbetrieb aufzuziehen. Das Engagement und die Hingabe, mit der die Jugendlichen dabei im Kaffee arbeiten, sind bemerkenswert und zeigen den Erfolg des Projektes auf. Dabei war es wichtig, nicht allein den ökonomischen Ansprüchen einer Schülerfirma gerecht zu werden, sondern das interkulturelle Lernen und den Inklusionscharakter der Begegnungen im Auge zu behalten.
Durch die umfangreiche Konzeption und ihre gute Umsetzung, die nicht zuletzt durch die produktive und motivierte Zusammenarbeit der Projektpartner ermöglicht wurde, konnte mit der "Deutsch-Polnischen Schülerfirma" ein erfolgreiches Projekt durchgeführt werden, das Schülerinnen und Schüler aus ganz verschiedenen Kontexten und mit verschiedensten persönlichen Eigenschaften zusammengebracht hat.
Zusätzlich wurde für die deutsch-polnische Grenzregion ein Best-Practice-Beispiel geschaffen, das sich hoffentlich langfristig etablieren wird. Grenzübergreifend-kooperativ arbeitende Schülerfirmen bieten die Möglichkeit, regional und in kleinen Kontexten das ländliche Leben zu bereichern und die deutsch-polnische Zivilgesellschaft zu stärken. Der hierbei anfallende Arbeitsaufwand wird durch die Erfolge des Projekts mehr als gerechtfertigt.
Nicht zu unterschätzen sind auch die Chancen für die transnationale Arbeitswelt, die das Projekt bietet. So erleben die Schülerinnen und Schüler wie auch die Gäste transnationale Zusammenarbeit hautnah. Dadurch werden Barrieren abgebaut und die Jugendlichen sammeln Erfahrungen für eventuell zukünftige transnationale Arbeitsverhältnisse. Es entstehen neue Berufsperspektiven. Der Leuchtturmcharakter, den das Projekt hat, könnte zu neuen transnationalen Kooperationen und Schülerfirmen führen. Eine Möglichkeit für Schülerinnen und Schüler gezielte Erfahrungen in bestimmten Berufsfeldern zu sammeln, wäre dadurch gegeben. Außerdem könnte sich das Café langfristig als Anlaufpunkt für eine deutsch-polnische Zivilgesellschaft etablieren. In Verbindung mit Ausstellungen und Vorführungen von Künstlerinnen und Künstlern beiderseits der Grenze könnte das Café einen Raum bieten, in dem Deutsche und Polen aufeinandertreffen und sich kennenlernen können.
5. Fazit und Ausblick
Das "Kaffee zum Glück – Kawa na szczęście" ist ein Ergebnis eines gelungenen nachhaltig wirkenden Projekts. Die Kompetenzen, die die Jugendlichen – und auch die beteiligten Kooperationspartner – für die Zukunft sammeln konnten, sind dabei nur ein – wenn auch wichtiger – Aspekt. Dazu kommt die Freude, die die Jugendlichen bei der Arbeit haben. Außerdem ist das Café für Schloß Trebnitz und seine Umgebung eine Bereicherung.
Das Projekt hat wichtige Erfahrungen hervorgebracht. Für zukünftige Projektansätze, in denen transnationale Schülerfirmen gegründet werden sollen, wurden wichtige Kenntnisse gesammelt und gute inhaltliche Vorarbeit geleistet. Es ist selbstverständlich, dass das Betreten von pädagogischem Neuland immer mit einem "Mehr" an Arbeit verbunden ist. Die Chancen, die sich dadurch ergeben, rechtfertigen aber den Mehraufwand. Transnationale Schülerfirmen können gerade im ländlichen Raum und auf regionaler Ebene eine Möglichkeit zur Strukturstärkung und zum Kompetenzzuwachs bei den Jugendlichen beitragen und werden hoffentlich zukünftig vermehrt zum Einsatz kommen.
In den nächsten Jahren soll das Café weiter bestehen bleiben. Neue Jugendliche sollen in Folgeprojekten teilweise von ihren Vorgängern angeleitet werden. Langfristig soll das Café in die "Remise" umziehen, einem Gebäude, das sich an der Trebnitzer Hauptstraße befindet und gerade ausgebaut wird. Hierdurch soll der Publikumsverkehr wachsen. Außerdem soll ein Pendant auf der polnischen Grenzseite aufgebaut werden.
Zu hoffen bleibt, dass das deutsch-polnische Schülercafé "Kaffee zum Glück – Kawa na szczęście" für lange Zeit bestehen bleibt und sich als Ort etabliert, in dem man guten Kaffee trinken kann, transnationale Begegnungen deutscher und polnischer Gäste angeleitet werden und man den ländlichen Raum genießen kann.
Literatur
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